Stimmbindungsverträge – kein Mittel zur Befreiung von der Sozialversicherungspflicht

In seiner Sitzung vom 11.11.2015 hat der 12. Senat des Bundessozialgerichts mehrere für GmbH-Geschäftsführer, welche Gesellschaftsanteile halten, wichtige Entscheidungen getroffen. Die Gesellschaftergeschäftsführer haben versucht, durch entsprechende privatrechtliche Verträge die grundsätzlich nach GmbHG zulässige Stimmrechtsbindung so zu gestalten, dass gegen ihren Willen keine Entschlüsse in den Gesellschafterversammlungen gefällt werden konnten:

Dazu das Bundessozialgericht:

„Offen bleiben kann nach einer Entscheidung (Bundessozialgericht, Urteil vom 11.11.2015, Az. B 12 R 2/14 R), ob die getroffenen Stimmrechtsbindungsvereinbarungen jeweils als Legitimationszession oder Stimmrechtsvollmacht auszulegen sind. In beiden Fällen konnte die Ausübung des Stimmrechts im konkreten Fall nämlich nur widerruflich übertragen werden (hierzu BGH, Urteil vom 11.10.1976, II ZR 119/75/LM Nr. 25 zu § 47 GmbH-Gesetz). Insgesamt verhält es sich daher so, dass der jeweilige Mehrheitsgesellschafter – insbesondere im Konfliktfall – jeweils wieder über sein Stimmrecht verfügen und den Kläger in der Gesellschafterversammlung überstimmen konnte. Der Senat misst einer nur auf Zeit eines harmonischen Zusammenwirkens unter Familienmitgliedern beschränkten „Schönwetter-Selbständigkeit“, aber sozialversicherungsrechtlich keine entscheidende Bedeutung zu.

Auch in einem weiteren Fall (Urteil Bundessozialgericht vom 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R) hat sich das Bundessozialgericht gegen die Steuerung des Status des Gesellschaftergeschäftsführers durch Stimmrechtsvereinbarungen ausgesprochen. Es meint:

„Auch wenn daher eine außerhalb des formgebundenen Gesellschaftsvertrags einfach schriftlich getroffene Stimmrechtsvereinbarung gesellschaftsrechtlich zulässig sein kann, ist sie jedenfalls nicht geeignet, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse ohne weiteres mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben: Denn der Stimmbindungsvertrag kann von jedem Gesellschafter zumindest aus wichtigem Grund gekündigt werden. Bei Eintreten eines Konfliktfalls zwischen den Gesellschaftern käme es daher allein auf die den Beteiligten aufgrund des Kündigungsrechts zustehende Rechtsmacht an. Das vom Senat in seiner Rechtsprechung wiederholt hervorgehobene Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungsrechtlicher und beitragsrechtlicher Tatbestände, die schon zu Beginn der Tätigkeit gegeben sein muss, führt dazu, dass der gegenteiligen Rechtsauffassung nicht gefolgt werden kann. Hinzu kommt, dass Stimmbindungsverträge unter Gesellschaftern ebenfalls die Vorgaben des § 723 BGB erfüllen müssen. Sind solche Verträge auf unbestimmte Zeit geschlossen, sind sie aber nach § 73 Abs. Satz 1 BGB sogar – unbeschadet einer Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund – jederzeit ordentlich kündbar, was nach Abs. 3 der Regelung auch nicht vertraglich abdingbar ist. Auch unter diesem Blickwinkel kann ohne entsprechende in Form gebundenen Gesellschaftsvertrag geregelte Befugnisse nicht von einer der dortigen Klägerin dauerhaft als gleichberechtigte Mitgesellschafterin neben ihrem Ehemann eingeräumten Stellung einer Selbständigen ausgegangen werden.

Am gleichen Tag, Urteil vom 11.11.2015, Az. B 12 KR 10/14 R, hat das Bundessozialgericht auch die sozialversicherungsrechtliche Wirkung im Hinblick auf den Status eines Beschäftigten aus einer schuldrechtlich eingeräumten Sperrminorität verneint.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts genügt die nur auf einzelne Entscheidungsgegenstände bezogene Rechtsmacht, Weisungen der Gesellschafterversammlung zu verhindern, nicht schon, um einen selbständigen Status des Betroffenen bejahen zu können:

„Jedenfalls kann eine nur schuldrechtlich in einem Anstellungsvertrag eingeräumte Sperrminorität durch einseitige Kündigung leicht beendet werden. Mit einer solchen Kündigung – die jedenfalls aus wichtigem Grund nach § 626 BGB in Betracht kommt – würde auch ohne weiteres das Vetorecht des Klägers wieder entfallen: An der Entscheidung über eine Abberufung des Geschäftsführers dürfte der Betroffene selbst allerdings überdies nicht einmal mitwirken (vergl. z.B. BGH Urteil vom 27.10.1986, Az. II ZR 74/85, NJW 1987, Seite 1889). Damit aber verfügte der Kläger nicht über die rechtliche Möglichkeit, ihm nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden. Die im Sozialversicherungsrecht gebotene Vorhersehbarkeit versicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schon von Beginn der beurteilenden Tätigkeit an, steht in solchen Fällen der Annahme einer zu fehlenden Versicherungspflicht führenden Selbständigkeit entgegen“.

Aus diesen Entscheidungen verbleibt die Konsequenz, dass die gesellschaftsrechtliche Gestaltung der Verträge und damit die konsequente satzungsgestaltende Umsetzung einer selbständigen Stellung des Gesellschaftergeschäftsführers in den Vordergrund tritt. Die Revision der jeweiligen Gesellschaftsverträge, die Überprüfung der Stati der Gesellschaftergeschäftsführer und gegebenenfalls die Anpassung der Gesellschaftsverträge an das von den Gesellschaftern wirklich Gewollte ist das Gebot der Stunde und in der anwaltlichen sozialrechtlichen Beratung umzusetzen.